Was ist eine Briefmarke

Die folgende niedliche Plaudere von Paul Thielemann, die in knappen Sentenzen auch dem Nicht-philatelisten ein treffendes Charakterbild unserer heutigen Postmarken entwirft, finden sich im Jahrgang 1910 der „D.B.Z.“.

Im Alltagsleben ist die Briefmarke:

  1. ein bedrucktes Stück Papier,
  2. eine Quittung über bezahlte Postgebühr,
  3. eine Anweisung auf freie Briefbeförderung
  4. ein Wertpapier „al pari“,
  5. zuweilen eine Auslage für eine Retourkutsche,
  6. ein Erzeugnis der Presse, dessen Nachdruck verboten ist,
  7. ein Kurier, der auf Gummi durch die Welt reist,
  8. eine Einnahmequelle des Staates,
  9. ein Mitwisser manchen Geheimnisses,
  10. eine Illustration zu dem Sprichwort: „Aus den Augen in den Mund“,
  11. oftmals ein festsitzender „Eckensteher“,
  12. meine eine Speichelleckerin,
  13. eine Illustration zu „Über Land und Meer“,
  14. das einzige Bild, das wir von manchen Fürsten besitzen,
  15. ein Zugvogel,
  16. ein Passagier, der sehr billig reist,
  17. ein Schuldschein des Staates,
  18. ein Zahlungsmittel für kleinere Schulden,
  19. eine Leckerei,
  20. ein Zeichen fortgeschrittener Kultur,
  21. in vielen Fällen ein kleines Kunstwerk,

Vom Standpunkt des Sammlers betrachtet, gibt es jedoch noch eine Anzahl weiterer Erklärungen. So ist die Briefmarke aus:

  1. ein viel begehrter Artikel,
  2. ein Gegenstand, der groß und klein, „im großen und kleinen, v o n „Großen und Kleinen“ gesammelt wird,
  3. häufig ein Vogel, dessen Echtheit man nicht an den Federn, sondern an den Zähnen erkennt,
  4. ein entwertetes Wertobjekt,
  5. ein Liebling, der oft an den Zähnen leidet,
  6. zuweilen die Falschheit in Wort und Bild,
  7. ein Handelswert – Objekt, das weit verbreitet ist,
  8. eine Beute mancher Jagd,
  9. eine Schönheit, die im höchsten Alter die meisten Liebhaber findet,
  10. eine Einnahme des Staates, die in verschiedenen Ausgaben besteht,
  11. ein Mittel zur Bereicherung des geographischen Wissens,
  12. eine Perle, von den wünscht, dass sie immer echt sein möge,
  13. ein Lagermittel, der mit den Jahren an Wert gewinnt,
  14. ein Wertpapier, das entwertet doch noch Wert hat, manchmal (sogar einen höheren als vor der Entwertung,
  15. eine Schönheit, der es nicht an Liebhabern fehlt,
  16. ein Ding, das, wie das Chamäleon, oft seine Farbe wechselt,
  17. ein Erzeugnis, das in immer neuen Arten erscheint,
  18. ein Gegenstand, dem sich viele Schriftsteller und Zeitschriften ausschließlich widmen,
  19. für viele Menschen eine Liebhaberei zu Erholung,
  20. ein Gegenstand, der fortwährend aufs peinlichste untersucht wird,
  21. ein Ausstellungsstück,
  22. jemand, der durch Fehler, in unserer Wertschützung steigt.
Danzig