Zur Geschichte des Postregals.

von
Fritz Grube, cand. Jur., Danzig

Regalien sind ursprünglich Rechte des Königs, und zwar entweder solche, die zu den notwendigen Ausflüssen der Staatsgewalt gehören, gewöhnlich Hoheitsrechte genannt, oder sogenannte nutzbare Finanzrechte, die der König – in den späteren Stadien der Entwicklung der Staat – zwar nicht notwendigerweise ausüben muss, die aber infolge ihrer besonderen Beschaffenheit zur Übernahme durch private Unternehmer nicht geeignet sind. Zu der letzten gehört das Postregal, das heißt das Recht, Posten anzulegen und zu erhalten, genauer, die ausschließliche Befugnis der Staatsgewalt zur entgeltlichen Beförderung von Personen und Sachen in dem durch Gesetz und Gewohnheitsrecht bestimmten Umfange.
Die Anfänge des Postregals gehen bis ins 16. Jahrhunderts zurück. Erst um diese Zeit konnte über-haupt zum ersten mal von einem wirklich postmäßigen Betriebe gesprochen werden, denn ein solcher liegt nur dann vor, wenn, abgesehen von feststehenden Abgangs- und Ankunftszeiten, ein Wechsel der Transportmittel stattfindet, d.h. wenn der Brief nicht mehr von einem und demselben Boten vom Absender zum Empfänger befördert wird, sondern durch mehrere voneinander unabhängige Boten dem Empfänger zugestellt wird. Erst dann liegt eine wirkliche Post im technischen Sinne vor, also erst im 16. Jahrhundert nach de Errichtung von sog. Pferde- und Boten-relais, die einen Wechsel der Transportmittel bedingen. Alle früheren postalischen Einrichtungen vom römischen cursus publicus bis zu den Staatsbotenanstalten Ludwigs XI. von Frankreich sind keine Posten im eigentlichen Sinne, sondern lediglich dynastische Stafettenketten, die aus ausschließlich den Aufgaben der Staatsverwaltung zudienen bestimmt waren.
Im alten Deutschen Reich war Träger des Postregals der Kaiser und zwar kraft Gewohnheitsrechtes. Jedoch war die rechtliche Grundlage des kaiserlichen Reservatanspruches von vornherein zweifelhaft und vielen Anfeindungen ausgesetzt. Denn schon frühzeitig betrachteten die Reichsstände, vor allem die stärkeren Territorialgewalten, das Postregal als ein ihnen zukommendes Recht und erblickten in dem Reichspostregal des Kaisers einen Eingriff in ihre Einflusssphäre. Dieser Streit um das Postregal währte jahrhunderte lang und fand erst im 19. Jahrhundert seinen Abschluss. Anfangs konnte der Kaiser noch seinen Ansprüchen Geltung verschaffen, solange eine starke Zentralgewalt im Reich vorhanden war. Insbesondere blieb unter Karl V., in dessen Reich die Sonne nicht unterging“, das kaiserliche Postregal unangetastet. Die Kaiser übten es bekanntlich nicht selbst aus, sondern gaben es dem Grafen von Thurn und Taxis, den späteren Generalerbpost-meistern des Deutschen Reiches, zu Lehen. Aber gerade dieser Umstand bewirkte infolge des rücksichtslosen und vielfach allein fiskalische Interessen verfolgenden Vorgehens der Taxis, dass alsbald eine starke ständische Reaktion gegen die kaiserl. Posten einsetzte, die dazu führte, dass Kaiser Leopold I in seiner Wahlkapitulation von 1657 ausdrücklich zugestehen musste, dass das Postregal kein ausschließlich kaiserliches Reservat sei, sondern ein landesfürstliches, und daher jedem Reichsfürsten in seinem Landes zustehe. Trotz dieser unzweifelhaften rechtlichen Anerkennung des Postregals der Territorialgewalten unternahmen es die späteren Kaiser wiederum, und zwar in erster Linie infolge des Drängens der Taxis die Landesposten zu unterdrücken und erneut auf das Postregal Ansprüche zu erheben. Die Taxis erfreuten sich auch weiterhin der unein-geschränkten kaiserlichen Gunst wurden 1695 in den Reichsfürstenstand erhoben und erlebten im Jahre 1744 den Triumph, dass ihr Lehen zum Reichskronlehen erklärt wurde.
An der anderen Seite bestanden naturgemäß die Territorialstaaten, vor allem Preußen, Österreich, und Sachsen auf dem ihnen in der Leopoldinischen Wahlkapitulation verbrieften Recht, und wussten es auch durchzusetzen. Insbesondere gebührt dem Großen Kurfürsten das Verdienst, der ungerechtfertigten kaiserlichen Regalansprüche mit Energie und Erfolg entgegengetreten zu sein. Er war der langen theoretischen Streitigkeiten überdrüssig und verdrängte kurzerhand die kaiserlichen Taxisschen Posten aus Brandenburg während er gleichzeitig die mustergültige Organisation der brandenburgisch-preußischen Staatspostanstalten schuf. Als der Kaiser den Kur-fürsten im Jahre 1659 aufforderte, die Reichsposten ungehindert durch sein Gebiet passieren zu lassen, antwortete er in einer energisch abgefassten Note, dass er eine Staatsposten habe, und für alle Zeiten gegen die Taxisschen Posten Verwahrung einlege. In einem ähnlichen Vorgehen entschloss sich im Jahre 1681 auch Kursachsen mit dem Erfolge, dass beide Länder hinfort von den Taxisschen Reichsposten unbehelligt blieben, während die süddeutschen Staaten zum größten Teil das Reichsregal anerkennen mussten. Die Zeit der Napoleonischen Umwälzungen wurde auch für die Entwicklung und Gestaltung des Postregals von entscheidender Bedeutung. Nachdem zunächst durch den Frieden von Lunéville im Jahre 1801 die Taxisschen Posten vom linken Rheinufer verdrängt waren, wurden sie durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 reichlich entschä-digt, und in den rechtsrheinischen Gebieten, „sowie sie konstituiert sind, garantiert“. Wenige Monate später fiel indessen infolge de am 6. August 1806 nach der Gründung des Rheinbundes erfolgten Auflösung des alten Deutschen Reiches auch die Rechtsgrundlage des Reichspostregals und damit der Taxisschen Reichsposten als der Inhaber desselben endgültig zusammen. Die Folge davon war, dass sich zahlreiche Landesherren entschlossen, dem Beispiel Preußens und Sachsens zu folgen und eigene Landesposten anzulegen. Nur die kleineren Territorien zogen es zur Vermeidung weiterer Zersplitterung des Postwesens vor, dasselbe dem Hause Taxis gegen Zahlung eines lanons zu belassen, das jetzt aber nicht mehr als Träger des Reichspostregals, sondern lediglich als privates Unternehmen zu betrachten war.
Jedoch noch einmal kam es zu einer staatsrechtlich bedeutsamen Reaktivierung des Thurn-und-Taxisschen Postwesens. Als nachdem Sturze des Napoleonischen Kaisertumes auf dem Wieder Kongress die Rechtsverhältnisse der deutschen Staaten ihre Regelung fanden, sah man sich veran-laßt, schon vor dem Gedanken der Reaktion beherrscht, das fürstlich Thurn-und Taxische Haus in den Besitz und Genuss seiner Posten zu bestätigen, d.h. den Fortbestand derselben auf neuer Rechtsgrundlage zu garantieren, aber nur insoweit, als nicht anderweitige Abmachungen erfolgen würden. Auf diese Weise konnte sich das Taxissche Regal noch 50 Jahre lang halten, Trotzdem es seine Berechtigung längst verloren hatte. Erst 1867 fand diese letzte Periode seines Bestehens infolge der Übernahme seiner gesamten Gerechtsame durch die Krone Preußens ihr Ende.
Als noch den Erfolgen gegen Österreich 1866 der Norddeutsche Bund ins Lebens gerufen wurde, hielt man auch die Zeit für gekommen, der verhängnisvollen Zersplitterung des deutschen Post-wesens ein Ende zu bereiten. Man nahm demgemäß in die neue Bundesversammlung die Bestimmung auf, dass das Postwesen als einheitliche Staatsverkehrsanstalt zu verwalten sei, d.h., dass die Ausübung des Postregals allein dem Bunde unter Ausschluss der einzelnen Mitglieder desselben zustehe. Die Reichsverfassung von 1871 übernahm diese Bestimmung unverändert mit der einzigen Ausnahme, dass Bayern und Württemberg eigene Postverwaltungen behielten. In der Hauptsache war damit das deutsche Postwesen einheitlich gestaltet; die jahrhunderte lange Zer-splitterung war auch auf diesem Gebiete beseitigt.
Die völlige Vereinigung des gesamten deutschen Postwesens in der der Reichspostverwaltung brachte erst die neue Reichsverfassung vom 11. August 1919, die im Artikel 88 bestimmt, dass das Post- und Telegraphenwesen ausschließlich Sache des Reiches sei, und die den Übergang der Post-verwaltungen Bayerns und Württemberg auf das Reich vorschreibt, der bereits am 1. April 1920 erfolgt ist. Damit hat die Entwicklung ihr Ende erreicht. Das lange erstrebte Ziel, die alleinige Ausübung des Postregals durch die einheitlich organisierte Staatspostverwaltung ist nach schweren Kämpfen und Mühen restlos erreicht worden. Erst in ihrer heutigen Gestaltung ist die Reichspost-verwaltung imstande, den großen Kulturaufgaben, die ihr obliegen, in vollkommener Weise gerecht zu werden. Freilich wird sie dieses Ziel erst dann erreichen können, wenn das riesige Defizit, das die Postverwaltung im Haushaltsplan gegenwärtig aufweist, in absehbarer Zeit verschwindet oder wenigstens erheblich verringert wird. Die Postverwaltung hat mal von dem Vertrauen, das ihr bislang vom deutschen Publikum entgegengebracht wurde, eingebüßt. Nur die Wiedererlangung der absoluten Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wird imstande sein, dem deutschen Postwesen den guten Ruf, den es einst im In- und Auslande genoss, von neuem zu verschaffen.

Danzig