Danzigs Marken – Danzigs Kultur

Die „Briefmarken-Rundschau“ der „Danziger Zeitung“ hat sich seit der Zeit ihres Bestehens zahl-reiche Freunde auch in den Kreisen des Publikums erworben, die bisher nicht zu den Philatelisten gehörten, und bei ihnen Interesse und wachsenden Verständnis für die Briefmarkenkunde erweckt. Schreiber dieser Zeilen gehört zu denen, die früher aus dieser ganzen Angelegenheit sich gar nichts machte, jetzt aber mit Spannung jeder neuen Nummer der „Briefmarken-Rundschau“ entgegen sehen und sich von der ersten bis zur letzten Zeile mit Aufmerksamkeit durchlesen. Es ist sogar, was er früher von sich gar nicht für möglich gehalten hätte, ein klein wenig unter die Sammler gegangen und bemüht sich, eine leidlich vollkommene Kollektion aller Danziger Marken zusammen zubringen, was ja nachgerade, wenn man nicht rechtzeitig angefangen hat, auch gar nicht mehr so leicht und billig ist. So wenig er sich nun berufen fühlen darf, als bescheidener Anfänger auf einem so eng begrenzten Gebiet im allgemeinen als Philatelist mitzusprechen, so möchte ich doch der „Briefmarken-Rundschau“ bitten, ihm ein Wort zu verstatten eben bezüglich der Danziger Marken auch wenn es in etwas abweicht von dem, was er darin bisher gelesen.
Als die Zeit der Übergangsmarken mit dem alten Germaniatyp sich dem Ende zuneigte, wurde uns angekündigt, die ersten richtigen Danzier Marken würden originell sein und allen Ansprüchen genügen. Im November erschienen die Erinnerungsmarken zur Konstituierung des Freistaates. Aber sie erfüllen die geweckten Erwartungen nicht, oder doch nicht allerorten. Schwer ist es ja, über den Geschmack zu streiten, und im wesentlichen wird es sich bei den Markenbildern und –Farben immer um eine Geschmacksfrage handeln. Aber der Schreiber dieser Zeilen weiß, dass nicht nur er allein von den damaligen neuen Marken enttäuscht war. Er hatte geglaubt, etwas spezifisch Danzigeriches erwarten zu dürfen. Wir Danziger sind wahrlich berechtigt, auf die äußeren Schön-heiten unseres Stadtbildes uns etwas einzubilden. Wir dürfen uns mit Recht sagen, dass Danzig in seiner unvergleichlichen Architektur „Alle Städte Preußens überragt!“ wie die Inschrift an der Innenseite des Rathausportals kündet. Welch wirksameres Mittel aber, diese Schönheit aller Welt täglich zu verkünden, gäbe es, als tägliche tausendfältige Verbreitung von Danzier Bildern auf Briefmarken? Und wie nützlich zugleich in einer Zeit, wo wir, als selbständiges Staatswesen aufge-richtet und in die große Welt eingeführt, ein besonderes Interesse daran haben, unsere Eigenart der Welt zu zeigen und deren Augen mit Wohlgefallen zu erfüllen? Das gehört zu den Imponderabilien, die man nicht unterschätzen darf.
Nun kam der Koggen-Typ. Gewiss ist die Kogge eine schöne Erinnerung an die alte Hanseatenzeit. Aber mit der Gegenwart hat sich nichts zu tun, und sie ist ferner nicht entfernt, etwas Eigenartiges und für Danzig besonders Charakteristisches. Ein solches Erinnerungsbild kann jede See- und Handelsstadt mit mittelalterlicher Vergangenheit mit demselben Rechte sich zulegen. Damit haben wir uns von anderen in keiner individuell kennzeichnenden Weise ab. Aber schließlich handelt es sich bei dem Koggentyp wiederum nur um eine Provisoriumsmarke, und dann glaubte nun um so mehr, von der endgültigen, der Dauermarke etwas „wirklich Schönes“ erwarten zu dürfen. Sie kam endlich, aber mit ihr wieder eine Enttäuschung. Das Danziger Wappen – freilich, das führt kein anderer Staat und keine andere Stadt. Aber ein Wappen hat jede andere Stadt, jedes Städtchen auch, und solcherlei Wappen unterscheiden sich voneinander nicht viel mehr wie die einzelnen Blätter eines Kartenspieles. Und wenn das Danziger Wappen noch schöner wäre, als es ist, wenn es noch mehr von der Vergangenheit erzählt, wie die güldne Krone polnisch-kasimirianischen Angedenkens, von der nur die wenigsten etwas ahnen, das ist es nicht, was es sein könnte, wenn es als Markenbild der Jetztzeit etwas Besonderes über Danzig in der Welt verkünden wollte. Nicht unser Wappen kennzeichnet unsere Eigenart, sonder unsere Architektur mit ihren unübertrefflichen Schönheiten und beredten Zeugen für Danzigs Eigenart in Vergangenheit und Gegenwart. Zwei vor allem sind weithin leuchtende Wahrzeichen dessen geworden, was der Name Danzig besagt: Der Rathausturm und die Marienkirche. An unseren herrlichen Bildern fehlt es nicht, nicht um ganze Serien daraus formen zu können. Warum ist man den Markenschöpfern an diesen dankbarsten und selbstverständ-lichsten Objekten bisher noch immer vorübergegangen – denn bis eine Flugzeugmarke der letzten Serie mit ihrer Andeutung der Marienkirche kann kaum mitgezählt werden -, und warum hat man sie auch bei den nächsten Tagen zur Ausgabe gelangenden hochwertigen Marken abermals nicht verwandt? Statt dessen wieder nur Wappen, bereichert allerdings durch zwei Löwen mit perücken-haft stilisierten Mähnen“. Wir gestehen, Perücken flößen uns, selbst von Löwen getragen, leises Missbehagen ein. Wenn aber die „Briefmarken-Rundschau“ trotzdem mitzuteilen in der Lage ist, die neuen Marken seien „wirklich schön und ansprechend“, so wollen wir uns dessen gern getrösten. Wann sie uns nun das Recht einräumt, aus dem Ausbruck „wirklich schön“ zu lesen, dass sie das bisher an Markenbildungen in Danzig Geleistete selbst, wie wir, gar nicht für durchweg schön ansieht.
Nicht nur Form und Typ, sondern auch die Farben haben bisher mancherlei Anlass zur Kritik geboten, wenn auch hierbei wieder der Geschmack verschieden ist und keinerlei Geschmacksrichtung Anspruch auf den Besitz des wahren erheben darf. Es überwiegen bei weitem Mischfarben in allerhand Tönungen, braun-grau, grau-braun, grünlich, bläulich usf., auch richtiges „scheußlich-grau“ uns dem Schillerschen Kampf mit dem Drachen das Auge einer reinen, frohen klaren Farbe aus dem hehrsten Strahlenkranz der Natur, dem Regenbogen aus dem Prisma des Sonnenlichtes, der wahrsten Offenbarung und Summe aller Farben: Rot, orange, blau, grün, blau, indigo, violett. Warum statt solcher reinen Sonnenkinder diese allerhand verwerten Kreuzungen, Mischungen und Vergräulichungen? Dazu kommt eine unfrohe Verblassung in der Farbengebung. Nirgends Glanz und leuchtende Frische, statt dessen alles bei der letzten Serie aber auch alles matt, verglichen verschlissen. Man empfängt, möchte man sagen, den Eindruck des blutarmen, schwächlichen, saft- und kraftlosen, wie bei unterernährten Kindern, deren es heute ja leider nur zu viele gibt, kurz – das Unzulängliches. Die Offizin, der die Herstellung der Danziger Marken obliegt, hat sich ja erst jüngst auf diesen gewiss nicht leichten Druck einstellen müssen; aber sie würde gut daran tun, die Druckmethoden nach Möglichkeit und bald zu verbessern, um es dem Besten anderwärts gleich tun zu können Gewiss gibt es bei der heutzutage notwendigen Schnell- und Massenproduktion an Marken vielerorts Produkte, die der Kritik noch weit mehr Angriffsfläche zurückblickt. Aber Danzig, das auf eine so uralte Kultur zurückblickt und auch als selbständiger Staat in der Neuzeit kulturell auf der Höhe bleiben will, darf sich auch auf diesem Gebiete nicht mehr Unterstehenden vergleichen, sich nicht mit Mittelmäßigen, um nicht zu sagen Unterwertigem begnügen. Es muss, wie überall, so auch hier unter den Ersten zu marschieren und Hervorragendes zu leisten sich bestreben. Es handelt sich um ein gut Stück Ruf und Ruhm Alt-Danzigs. Lasse man es nicht ungenützt.! Dr. H.

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