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>> GA P 63/02 aus einem Landjahrlager in Katzke

Den Absenderort fand ich interessant: Die Karte kam von einem Landjahrlager in Katzke, Kr. Danziger Höhe. Ich habe im Internet bei Wikipedia recherchiert, um Genaueres über solch ein Lager zu erfahren.

In der Weimarer Republik gab es unter der Bezeichnung "Landhilfe" ein unverbindliches arbeitsmarktpolitisches Angebot für vierzehn- bis fünfzehnjährige Volksschüler in Großstädten, die nach dem achten Schuljahr ihre Vollzeitschulpflicht abgeschlossen hatten und die Schule verließen. Ursprünglich diente die Landhilfe als Maßnahme gegen Jugendarbeitslosigkeit und sollte die aus der Schule entlassenen Jugendlichen vor den angeblichen Gefährdungen der Großstädte schützen und mögliche Berufsperspektiven in der Landwirtschaft aufzeigen. Zugleich sollte damit der Arbeitsmarkt entlastet werden. Diese Schüler wurden für die Dauer von mindestens sechs Monaten an einzelne Landwirte vermittelt.

Im 3. Reich wurde diese arbeitsmarktpolitische Maßnahme zunächst durch Erlass vom 3. März 1933 unter Beibehaltung der Bezeichnung "Landhilfe" fortgeführt und mehrmals modifiziert. Als Landhelfer wurden Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren – unter bestimmten Voraussetzungen auch bis zu 25 Jahren - nach freiwilliger Meldung meist in bäuerliche Familienbetriebe vermittelt. Die Landhelfer erhielten neben den Anreisekosten ein monatliches Entgelt bis zu 25 RM. Unterstützungsempfänger wurden bald bevorzugt vermittelt, wodurch eine Entlastung der Wohlfahrtsämter eintrat. Die Teilnahme von mindestens 6 Monaten wurde durch einen "Landhelfer-Brief" bescheinigt. Dieser besaß eine Identifizierungsnummer und ein Lichtbild des Inhabers und sollte bei Bewerbungen um einen Arbeitsplatz bei landwirtschaftlichen Schulen, bei Bewerbungen um Siedlerstellen und bei ähnlichen Anlässen vorgezeigt werden.

Diese Form der "Einzellandhilfe" lief bis 1936 und wurde gleitend durch eine "Gruppenlandhilfe" abgelöst, bei der Jugendliche in gemeinsamer Unterkunft wohnten und tagsüber auf verschiedenen Bauernhöfen verteilt arbeiteten. Durch Gesetz vom 29. März 1934 wurde diese Form – zunächst probeweise in Preußen – zum neun Monate dauernden "Landjahr" ausgeweitet, zur Pflicht erklärt und inhaltlich durch eine nationalsozialistische "Formationserziehung" sowie Sportübungen ergänzt. Diese Maßnahme war eine Ersatzlösung für eine allgemeine Einführung eines neunten Pflichtschuljahres, die finanzpolitisch nicht möglich war, aber den Arbeitsmarkt wirksam entlastet hätte.

Aus einer damaligen Informationsbroschüre:
"Das Landjahr ist eine staatliche Erziehungseinrichtung. Es untersteht dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Im Landjahr sollen sorgfältig ausgelesene Jungen und Mädel zu verantwortungsbewußten jungen Deutschen erzogen werden, die körperlich gestählt und charakterlich gefestigt von dem Willen erfüllt sind, im Beruf und an jeder Stelle einsatzbereit dem Volksganzen zu dienen."

Die einberufenen Jugendlichen wurden von April bis Dezember in angemieteten Gemeinschaftsunterkünften (ehemalige Gutshäuser, Klöster oder Wirtshäuser) untergebracht. Im Lager waren meist 60 Jugendliche zusammengefasst. An drei bis vier Werktagen war der Vormittag dem Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft vorbehalten; in der Erntezeit wurde auch ganztägig gearbeitet. Eine Entlohnung war nicht vorgesehen. Die Landjahrpflichtigen erhielten lediglich ein geringes Taschengeld von 0,05 RM täglich.

Der Erziehungsplan umfaßte für die Jungen "vormilitärische Ertüchtigung, Leichtathletik, Schwimmen, Boxen usw.", für die Mädchen "Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen, Spiel und Tanz". Als praktische und vorberufliche Erziehung dienten für die Jungen "Werkarbeit, Arbeit im Lager, im Garten und beim Bauern" und für die Mädchen "Küchenarbeit, Hausarbeit, Wäschepflege, Nähen und Flicken, Gartenarbeit, Hilfe im Dorfkindergarten und beim Bauern". Auch die "Nationalpolitische Schulung" wird als wesentlicher Bestandteil der Erziehung genannt. Abgeschirmt vom Elternhaus und Kirche waren die Jugendlichen einer Lagererziehung mit Diensten, Appellen, Ordnungsübungen, Geländespielen und Feiern mit nazistisch geprägtem Liedgut unterworfen.

Nun kann ich auch verstehen, warum die Absenderin Traudel S. eine Brunhild Kindermann in Danzig um "12 Packen gelbes Perlgarn dünn Nr. 430" zum Sticken bittet mit der Begründung, dass "keiner von uns nach Danzig" kommt und sie "sehr in der Klemme" sei.

Arge Danzig, Rundschreiben 239, Seite 2447.


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Added: 27/03/2013
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