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Vor 100 Jahren: Konstituierung der Freien Stadt Danzig Die komplizierte Vorgeschichte 
Martin Jenrich, Tel. 030-9914166, martin.jenrich@web.de

Als in Versailles daran gegangen wurde, eine territoriale Neuordnung Europas zu schaffen, war einer der Streitpunkte der Alliierten das Problem der Hafenstadt Danzig. Das noch während des Ersten Weltkrieges in Lausanne gegründete Polnische Nationalkomitee unter Roman Dmowski und Ignacy Paderewski (*1860, † 1941, Pianist, Komponist und Politiker) hatte sich die Beeinflussung der öffentlichen Meinung – besonders in den USA einschließlich ihres Präsidenten Wilson – zur Hauptaufgabe gemacht. Paderewski wurde dank seiner internationalen Popularität Sprecher des Polnischen Nationalkomitees.

Im Anschluss an ein Konzert im Weißen Haus konnte er US-Präsident Woodrow Wilson dazu bewegen, die Wiedergründung Polens zu einer dessen Kernforderungen für die Neuordnung Europas zu machen. Am 8.1.1918 stellte dieser 14 Grundsätze für einen allgemeinen Weltfrieden auf. Punkt 13 lautete: „Errichtung eines unabhängigen polnischen Staates unter Gewährung eines freien Zugangs zum Meer, der diejenigen Gebiete einschließen soll, die von einer unzweifelhaft polnischen Bevölkerung bewohnt werden.“ Vier Wochen später erweiterte Wilson das Ganze auf einer Kongreßrede: Keine Annexionen, keine Kriegsentschädigungen, kein strafrechtlicher Schadenersatz. Auf dieser Basis erklärte sich Deutschland bereit zu Friedensverhandlungen.

Während die Noten für Verhandlungen zwischen der amerikanischen und deutschen Regierung hin und hergingen, begann im Deutschen Reich die Novemberrevolution 1918. Kaiser Wilhelm II. setzte sich nach Holland ab. Für die Siegermächte war dieser innere Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs ein Grund, sich nicht mehr an die vereinbarten Friedensgrundsätze zu halten. Nun wurde die völlige Unterwerfung Deutschlands gefordert. Im Artikel 231 des Versailler Vertrags musste sich Deutschland zur alleinigen Kriegsschuld bekennen.

Als die Friedensbedingungen nach Danzig durchsickerten, protestierte der Magistrat der Stadt in einem Telegramm am 14. Oktober 1918 an das Reichsinnenministerium iBerlin gegen die beabsichtigte Lostrennung Danzigs vom Deutschen Reich: 

„Präsident Wilson will alle Länder unzweifelhaft polnischer Bevölkerung zu dem unabhängigen neuen polnischen Staat vereinigen. Demgegenüber stellen wir fest, daß Danzig nimmermehr diesem Polen angehören darf. Unsere alte Hansestadt Danzig ist durch deutsche Kulturkraft entstanden und gewachsen, sie ist kerndeutsch. Wir nehmen für uns das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Anspruch. Wir wollen deutsch bleiben immerdar. Der Magistrat. Dr. Bail, Bürgermeister.“

Inzwischen hatten Dmowski und Paderewski Präsident Wilson dazu gebracht, dass dieser einer Abtrennung Danzigs und des Korridors an Polen zustimmte. Anfänglich war keineswegs die Rede von einer Abtrennung eines deutschen Gebietsstreifens entlang der Ostseeküste, denn ein „freier Zugang zum Meer“ ließ sich nach dem Willen der Entente auch durch internationale Hafenverträge ermöglichen, z. B. durch die Schaffung eines Freihafens im Danziger Gebiet.

Am 3. Juni 1918 erkannten die Alliierten das nach Paris übersiedelte Polnische Nationalkomitee als Vertretung des kriegführenden Polen an. In Warschau proklamierte ein Regentschaftsrat die völlige Unabhängigkeit Polens. Staatschef wurde Józef Piłsudski (* 1867, † 1935), der vorher mit seinen Legionären auf Seiten der Mittelmächte gegen Rußland kämpfte. Das Pariser polnische Nationalkomitee erkannte die Warschauer Regierung an, und Piłsudski ernannte Paderewski zum Ministerpräsidenten. Dieser nahm nun als Offizieller Polens an der Versailler Friedenskonferenz 1919 teil und unterzeichnete für Polen den Versailler Vertrag.

Hier saßen im engeren Ausschuß die „Großen Vier“: Wilson, der Franzose Clemenceau, der
Engländer Lloyd George und der Italiener Orlando. Clemenceau - genannt der „Tiger“ - ein
Deutschenhasser, stellte so maßlose Ansprüche, dass Wilson mit Bitterkeit vermerkte: „Das einzig wahre Interesse Frankreichs an Polen besteht in der Schwächung Deutschlands, indem Polen Gebiete zugesprochen erden, auf die es kein Anrecht besitzt.“

England dagegen sah für Danzig und Westpreußen keine Abtretung an Polen vor. Man ging davon aus, dass Deutschland niemals auf diese Gebiete verzichten würde und dadurch nur eine neue dauernde Kriegsgefahr entstünde.

Rundschreiben 270, 2021,  Seite 3606

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Added: 16/05/2021
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