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Historisches, Sachbeiträge und Berichte
Kein Frieden ohne die Erinnerung an den Krieg!
Beginn des 2. Weltkriegs in Danzig am 1. September 1939
Unser Anfang 2018 verstorbenes Mitglied Günter Deinert hat den Beginn des zweiten Weltkrieges
hautnah miterlebt, da er in unmittelbarer Nähe der Westerplatte wohnte. Hier ist sein interessanter
Bericht.
Wie ich als 13-Jähriger den Kriegsbeginn in Danzig-Neufahrwasser erlebte.
Es war Freitag, der 25. August 1939, als am frühen Vormittag das Linienschiff „SchleswigHolstein“ in den Hafen Danzig-Neufahrwasser einlief. Das Schiff kam zu einem
Freundschaftsbesuch und machte bei uns am Kai, gegenüber der Westerplatte, fest.
Von unserem Wohnhaus in der Olivaer Straße bis zum Liegeplatz waren es 200 m. Dazwischen
lagen nur unser Hof, das alte Zollhaus in der Salzstraße und ein alter Salzspeicher aus der Zeit
Friedrichs des Großen.
Das Schiff wurde von einer großen Menschenmenge begrüßt. Auch für uns Kinder war es
natürlich ein Erlebnis, so ein großes Kriegsschiff ganz aus der Nähe zu sehen. Jede freie Stunde
hielten wir uns am Liegeplatz auf. Wir durften sogar das Schiff besichtigen und bekamen von den
Matrosen Mützenbänder, Ärmelabzeichen und Zigaretten-Bilderschecks geschenkt.
Die Tage vergingen, und der 1. September kam. Es war sehr früh am Morgen, als der Vater uns
weckte; irgendetwas war nicht in Ordnung. Vater ging mit uns zum Fenster und zeigte auf die
Straße. Soldaten schlichen an den Häusern entlang. Was hatte das zu bedeuten? Wir öffneten
das Stubenfenster und sahen jetzt die Soldaten ganz deutlich mit ihren Waffen. Weil es mir zu kalt
war, lehnte ich die Flügel des Doppelfensters, die nach innen aufgingen, an. Eine Weile später
gab es einen furchtbaren Knall, die Fensterflügel schlugen mir ins Gesicht. Was war geschehen?
Wie sich dann später herausstellte, war es der erste Schuss der „Schleswig-Holstein“ zur
Westerplatte, d. h. der Beginn des 2. Weltkrieges. Das Schiff muss wohl in der Nacht bis zur
Festung Weichselmünde verholt haben und begann von dort mit der Beschießung der
Westerplatte.
Schnell zogen wir uns an und gingen in den Keller. Hier trafen wir schon mehrere Hausbewohner;
es herrschte große Aufregung. Das Schießen wurde immer stärker. Mein Vater hatte auf der
Straße erfahren, dass der Krieg mit Polen begonnen hatte und Danzig wieder zum Deutschen
Reich gehörte. Es wurden auch schon Extra-Blätter verteilt. Aus Sicherheitsgründen durften wir
den Keller nicht verlassen. Man vermutete auf der Westerplatte große Mengen von Munition, und
bei einer Explosion war die Gefahr für Neufahrwasser sehr groß. Noch am 1. September wurden
wir evakuiert. Meine Eltern packten ein paar Sachen zusammen, und wir zogen zu den Großeltern
nach Reichskolonie. Hier wurde es jedoch zu eng, und wir kamen bei Verwandten, die in Oliva ein
eigenes Haus besaßen, unter. Oliva ist von der Westerplatte ca. 8 km entfernt.
Aus dem Volksempfänger und aus der Zeitung erfuhren wir von dem Kriegsgeschehen und auch
von der „Heimkehr Danzigs ins Deutsche Reich“. Fast täglich wagten wir uns in die Nähe von
Neufahrwasser.
So konnte ich auch vom Paul-Beneke-Weg aus den Stuka-Luftangriff auf die Westerplatte
miterleben. Mein Vater hielt sich jeden Tag in Neufahrwasser auf. Er hat auch vom Bodenfenster
unseres Wohnhauses aus gesehen, wie polnische Soldaten am 7. September aus einem Bunker
auf der Westerplatte die weiße Fahne zum Zeichen der Kapitulation zeigten.
Nachdem die Kapitulation der Westerplatte allgemein bekannt wurde, kehrten auch schon die
evakuierten Bewohner nach Neufahrwasser zurück. In unserer Wohnung sah es schlimm aus. Alle
Fensterscheiben zur Hofseite waren entzwei, überall in der Wohnung lagen Glasscherben;
Küchengeschirr war aus dem Schrank gefallen und zerbrochen, Einmachgläser in der
Speisekammer aus den Regalen gefallen.
Über unserem Kücheherd sahen wir Einschüsse, die wohl von Gewehr- oder MG-Kugeln der
polnischen Soldaten von der Westerplatte stammten.

Rundschreiben 273, Seite 3726


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Added: 12/08/2023
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