Der Kampf gegen die Postzensur in der Philatelie

Veranlasst durch die in den letzten Wochen in großer Zahl zugegangenen Klagen der Sammler über die Handhabung der Verordnung, die Ein- und Ausfuhr von Briefmarken betreffend, hat die „Sammler-Woche“, München, nun erfreulicherweise als erste philatelistische Fachschrift in Deutschland eine Eingabe an den Reichstag gerichtet, die wir ihrer Wichtigkeit wegen hier unver-kürzt zum Abdruck bringen möchten. Sie lautet;

München, den 23. November 1920.

An den Reichstag, Berlin
Betreff;
Vollzug der Verordnung über Ein- und Ausfuhr von Briefmarken der Sammler im Tauschverkehr.

Die bereits gültigen Bestimmungen der Verordnungen vom 16. Januar 1917 und 20. März 1920 betr. die Ein- und Ausfuhr von Briefmarken, bedeutet nicht nur eine schwere Schädigung der deutschen Philatelie, ihre rigorose Handhabung durch die zuständigen Überwachungsstellen des Reiches ist auch in hervorragender Weise geeignet, jede sich anbahnende Verständigung mit dem Ausland auf das empfindlichste zu stören.
Nach § 2 der diesbezüglichen Verordnung ist die Einfuhr von Briefmarken privater Sammler im Tauschverkehr mit dem Auslande gestattet, wenn der Nachweis des Tausches durch Vorlage der Korrespondenz des Posteinschreibezettels und der Empfangsbescheinigung des ausländischen Empfängers für vorausgegangene Tauschsendung erbracht ist. Dass bei solchen Voraussetzungen den Sammlern von hüben und drüben ein auch nur einigermaßen funktionierender Tauschverkehr praktisch unmöglich gemacht ist, dürfte nicht nur dem mit der Materie Vertrauten ersichtlich sein. Ist nun schon bei ordnungsgemäßem Vorgehen der Überwachungsstellen, deren schwerbeweglicher Gang die Zweckmäßigkeit von vornherein in Frage stellt, damit zu rechnen, dass auch die wenigen noch vorhandenen Tauschgelegenheiten mit dem Ausland alsbald unterbunden sein werden, so bedeutet das rücksichtslose und rigorose Verhalten der beteiligten Stellen in Fällen, in denen die Einfuhrerlaubnis nicht oder nicht restlos erbracht ist, eine gewaltsame Erdrosselung der deutschen Philatelie.
Die Philatelie ist auf internationalen Verkehr angewiesen. Er ist das A und O eines Sammelzweiges, der zu allen Staaten der Erde logischerweise in Beziehung stehen muss. Tatsächlich nimmt heute auch nur noch Deutschland in der Behandlung der Frage bei Ein- und Ausfuhr von Briefmarken zum Zwecke des Tausches unter Sammlern eine bedauerliche Ausnahmestellung ein. Wo wirklich in anderen Staaten wie beispielsweise in Frankreich und Ungarn, noch eine der unseren ähnliche Verordnung die Ein- und Ausfuhr von Briefmarken im Tauschverkehr gesetzlich handhabt, so beweist dort wenigstens der Vollzug dieser Verordnungen, dass die betrauten Stellen den praktischen Lebensnotwendigkeiten des Tauschverkehres verständnisvoll Rechnung tragen.
In einem Zeitpunkt nun, in dem das deutsche Volk von einer in die Millionen von Mark gestiegenen Kapitalabwanderung erfährt, die trotz des bestehenden Kapitalfluchtgesetzes stattfinden konnte, erscheint es doppelt als ein Hohn auf den Geist dieses und verwandter Gesetze – zu denen auch die Verordnung über Ein- und Ausfuhr von Briefmarken zählt -, wenn ein im Vergleich zu obigen Summen geradezu lächerlicher Austausch von philatelistischen Werken mit pedantischer Willkür unterbunden oder doch bis in Unerträgliche verschleppt, und beim Fehlen einer Einfuhrbewilligung zum Schaden des deutschen Sammlers mit Konfiskation und außerdem noch mit ungerechtfertigten Strafen geahndet wird.
Es dürfte daher angezeigt sein, die Verordnung über Ein- und Ausfuhr von Briefmarken, soweit sie dem Tauschverkehr von Sammler zu Sammler dient, einer den praktischen Notwendigkeiten gerechter werdenden Revision dahin zielend zu unterziehen, dass Tauschsendungen wenigstens in allen Fällen, in denen unzweifelhaft die Absichten des Gesetzes nicht gestört werden oder nicht gestört werden wollen, künftig von den mit dem Vollzuge der Verordnung betrauten Stellen mit mehr Verständnis für den Geist, denn für den Buchstaben des Gesetzes behandelt werden. Da die Angelegenheit infolge der sich täglich mehrenden Unzuträglichkeiten vordringlich erachtet werden muss, erheischt es das Ansehen der deutschen Philatelie, dass die Petition ehestens dem Hohen Hause zur geschäftsmäßigen Behandlung vorliege.

„Sammler-Woche“
Deutsche Briefmarken-Zeitung.
München.

Danzig