Fort mit der deutschen Postzensur

Die bekannte Groß-Firma Gebr. Senf, Leipzig veröffentlicht in Nr. 1 ihres „D.B.I.“ nachfolgendes Schreiben eines großen ausländischen Geschäftshauses, das einen weiteren Bezeichnenden Beitrag zu der unhaltbaren Anmaßung der deutschen Postüberwachungsstellen und dessen teilweise Wiedergabe wir uns angelegen sein lassen möchten. Die Firma schreibt:
„Zu unserem Bedauern erhalten wir jetzt Anfang November Einschreibebriefe von den deutschen Zensurstellen zurück, die wir Anfang Juli 1920 mit wenigen Briefmarken einigen deutschen Herren auf ihre Bitten gesandt haben. Dieser Retoursendung lag ein Zirkular bei, aus dem wir nach vielen Bemühen entnommen haben, dass die Einfuhr von Briefmarken nach Deutschland verboten ist. Wir erlauben uns nicht, dieses Verbot zu kritisieren, wir verstehen nur nicht, weshalb wir nicht an unsere Geschäftsfreunde kostenlos einige Briefmarken senden dürfen, wenn Reisende und Matrosen Brief-marken zu Zehntausenden nach Deutschland hineinschaffen, ohne dass sich eine Behörde darum kümmert. Auch dieses Verhalten kritisieren wir nicht mehr, wir kritisieren lediglich das Verhalten dieser Zensurstellen, die sich erdreisten, im Landes der höchsten Kultur harmlose Briefe monatelang festzuhalten.
Es verträgt sich nicht mit der Würde unserer Firma, dass unsere Briefe in dieser Weise behandelt werden. Wir bedauern deshalb aufrichtig, Ihren kleinen Wunsch nicht erfüllen zu können. Sobald die jeder Kultur spottende Zensur in Deutschland aufgehoben wird, sind wir gern bereit, unsere Freunde wieder mit Briefmarken zu versorgen.“
Die Redaktion des „D.B.I.“ bemerkt dazu mit Recht: Haben die die Überwachungsstellen gar kein Gefühl dafür, dass sie die moralische Verantwortung dafür tragen, wenn ein Geschäftsbrief in dieser langen Zeit gegenstandslos geworden ist, vielleicht zum größten Schaden des deutschen Handels! Und warum? Weil einige Briefmarken aus dem Ausland eingeführt werden sollen, deren Wert ein lächerlich geringer ist zu den Millionenschiebungen nach dem Auslande, von denen uns fast jeder Parlamentsbericht erzählt. Diese gleichgültige, schematische und kleinlich Behandlung der Auslandsbriefe durch die Überwachungsstellen wird unerträglich, weil nicht die Spur eines praktischen Geschäftsgeistes sich bemerkbar macht.
Ein hoher Zollbeamter sprach sich mir gegenüber vor kurzem sehr rühmend darüber aus, welche hohen Beträge der deutsche Briefmarkenhandel mit seinen Nebenzweigen aus dem Auslande hereinholt, wie er sein gut Teil beiträgt, Auslandsdivisen zu schaffen. Gut, dann soll man auch dem Briefmarkenhandel, den Tausch der Sammler einbegriffen, freie Hand lassen, um so mehr wird er imstande sein, an der Besserung unserer Valuta mitzuarbeiten.

Danzig