Das Zünglein an der Waage

von
Georg Janek, Beuthen O.S.

Wie schwierig das vorgeschlagene Unternehmen ist, die unbedingte postalische Notwendigkeit einer jeden einzelnen Ausgabe sicher festzustellen, möge ein Beispiel vor Augen führen. Obwohl niemals auch nur der Gedanke aufgetaucht ist, dass Deutschland – dies Kind, kein Engel ist so rein – eine unreelle philatelistische Sache „drehen“ – könnte, liegen doch die Dinge hier zunächst nicht ganz klar.
Wir haben an den deutschen Reichs-Kupferdruck-Provisorien gleichzeitig eine Neuerscheinung der letzten Zeit, eine Nachkriegserscheinung und außerdem einen Überdruck- Von ersteren hört und liest man alle Tage, wie lohnend es sei, sie tüchtig zu sammeln. Nun, das ist uns ja allen gern gehörte Musik. Aber ist nicht hier vielleicht der Wunsch ein bisschen der Vater des Gedankens? Und wie steht es damit, wenn das Sammeln, das letzte seine größte Hausse erlebte, einmal abflaut? Wenn dann jene ihre Gewinne realisieren und abstoßen werden? Denn wozu es leugnen, bei allen Idealen ist die Briefmarke gerade in den letzten Jahren ein Gegenstand des Börsenspieles geworden. Und es gilt auch hier der triviale Satz: „Den Letzten beißen die Hunde.“
Sodann ist diese Ausgabe ein Überdruck. Zum Glück einer, der niemals gefälschte werden kann. Dazu fehlen nämlich die gleichen Marken ohne Überdruck. Bekanntlich hat die Reichsdruckerei einzig zum Zwecke des Überdruckes die drei Werte in Kupferdruck hergestellt, und daran ist dann auch die ganze Geschichte gescheitert. Mit anderen Überdruckmarken steht es schlimmer. Ein Heer von Prüfern ist ihnen und ihren Fälschungen auf den Leib gerückt, ausgerüstet mit allen Schikanen moderner Technik. Aber die Würde dieser Leute ist vielfach nur äußerlich: Es gibt heute viele Über-drucke, von denen kein Mensch mehr weiß, ob sie echt oder falsch sind. Nicht alle, bewahre, aber einige und nicht die billigsten.
Ich will vorausschicken, dass ich die Angaben, die hier folgen, größtenteils einem mehr zugegange-nen Schreiben des Reichspostministeriums entnehme, das in liebenswürdiger Weise zu allen diesbe-züglichen Fragen Stellung bezieht.
Wozu, fragt man, ist diese Ausgabe in die Welt gesetzt worden? Als sie erschien, gab es hinreichend Marken diese Werte in Offsetdruck. Aus welchem Grunde also die Aufdruck-Nachzügler?
Nun, der Grund ist der plötzlich stark gestiegene Bedarf an diesen drei Werten und diesem gesteigerten Bedarf konnte der umständliche Kupferdruck nicht genügen. Der Gedanke der Kupfer-druckmarken mit Überdruck war also zuerst da. Man druckte die bekannten Bilder in den neuen Farben, und es wäre soweit alles ganz schön gewesen. Da erkannte man plötzlich, dass dieses Verfahren, der starken Nachfrage nicht gewachsen war. Man stellte den Druck plötzlich ein und ging zum Gummidruckverfahren über. Bei dieser Massenanfertigung der Bogen mit je 50 Stück Marken im Buchdruckverfahren auf vorher gummierten Papier erfolgte die Zähnung in einem Arbeitsgange von derselben Maschine. Die Marken gelangten, was dringend nötig war, in großer Zahl in den Verkehr.
Erst jetzt wandte man sich den liegen gebliebenen Kupferdruckmarken zu. Diese waren, da ihr Druck zu 20 Marken auf dem Bogen mit der Handpresse erfolgte, noch nicht einmal gummiert und perforiert. Das wurde nachgeholt, und sie waren da. Rein zufällig kam es, dass der Wert zu 2,50 Mark beim Einstellen des Druckes in nur geringer Menge vorlag.
Niemand wird von der Reichsdruckerei verlangen, sie hätte die bereits gedruckten Marken vernichten sollen. Sie waren postalisch notwendig und nur infolge de geschilderten Zufälle blieb ihre Auflage eine so geringe. Wir haben eine sehr gute Markenreihe vor uns und die Zukunft wird das sicherlich bestätigen.

Danzig