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Gallery » Rundschreiben 248 - 3. Quartal 2015 » Aus alten Zeitungen und Zeitschriften

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[vorgelegt von Ronald van Waardhuizen, eMail: ronny@danzig.org]

Aber ein weißes Briefstück ist doch gewiss schön, wird jemand erwidern wollen. Ich wage jedoch das Gegenteil zu behaupten. Erstens handelt es sich gar nicht um „Briefstücke“. Die Marken werden auf einen weißen Bogen Papier geklebt und nun so vorsichtig abgestempelt, dass mindestens die Hälfte des Stempels auf das Papier herüber greift. Nun wird die Schere zur Hand genommen, und siehe da, das „Briefstück“ mit recht breitem weißem Rand ist fertig. Einen wirklichen Brief haben diese Marken … niemals gesehen. Dafür bezahlt man aber den Schnipsel Papier mit und hat dann aber noch obendrein den Ärger, dass diese sogenannten Briefstücke kaum jemals in die vorgedruckten Felder der Alben passen. Man muss dann schon zu vordrucklosen Alben greifen oder leere Blätter einheften, was wiederum mit Schwierigkeiten und großen Kosten verknüpft ist, kostet doch für ein Permanent-Album schon jedes leere Blatt mindestens 50 Pfennig.

Durch die Regelmäßigkeit der Anordnung des Stempels, der bei jeder Marke des ganzen Satzes genau auf derselben Stelle sitzt, ergibt die Reihe ein gleichförmig erscheinendes Bild, das nicht förderlich auf das Schönheitsgefühl einwirkt …

Schon seit 1912 hat Senf in seinen Postwertzeichenkatalogen eine besondere Rubrik für diese Gefälligkeitsabstempelungen eingeführt und in seinem demnächst erscheinenden Katalog 1921 werden alle Preise von Kriegs- und Umsturzmarken mit dem Kennwort Kn versehen, so dass sie ohne weiteres schon dadurch äußerlich als besondere Preise zu erkennen sind, weil es sich in 99 von 100 Fällen doch nur um Gefälligkeitsabstempelungen handelt.

Auch Kohl in seinem Briefmarken-Handbuch und großem Katalog von 1915 als vorzügliches Nachschlagewerk, das voraussichtlich leider nicht mehr erscheint, weist in allen in Betracht kommenden Fällen auf Gefälligkeitsabstempelungen hin und setzt die Preise dafür gleich den für ungebraucht, manchmal sogar noch niedriger, an. Ein Verfahren, das ich für durchaus berechtigt und angebracht halte, denn die Marke wird durch den Stempel allein nicht wertvoller als die ungebrauchte bzw. postfrische. Nur durch den wirklichen Gebrauch wird eine an und für sich hochwertige Marke veredelt, besonders dann, wenn der Stempel sie nicht verschmiert hat. Das beweisen alle gebrauchten Marken von Altdeutschland und allen anderen alten Ausgaben.

Von der Gefälligkeitsabstempelung bis zum Falschstempel ist es nur ein Schritt. Man würde aber den Stempelfälschern recht bald das Handwerk legen, wenn nicht die Sammler darauf erpicht wären, unbedingt gestempelte Stücke in ihrer Sammlung zu haben. Man sammelt doch nicht die Marke des Stempels wegen, abgesehen von einigen „Abstempelungs Spezialsammlern“, sondern der Marke selbst wegen. Man soll deshalb die jeweils billigste Sorte sammeln, und die ist bei den sich heute überstürzenden Neuheiten jedes Mal die ungebrauchte oder postfrische Marke …

Diese Meinung herrschte auch im Deutschen Reich vor, und die Händler „bunkerten“ bogenweise Danziger Inflationsmarken. Belege wurden auch wenig gesammelt und gelangten somit in den Abfall bzw. in die Papiermühle.
Erst nach der Inflation verkehrte sich diese Meinung ins Gegenteil. Nun wurde das Sammeln gestempelter Marken bevorzugt. Aber wie sollte das mit Danziger Marken praktiziert werden? Das Angebot überstieg weit die Nachfrage. Die Händler wussten sich dergestalt zu helfen, dass sie Danziger Postbeamte veranlassten, postfrische Bogen mit zurückgestellten Stempeln zu entwerten. In der Freien Stadt Danzig war es bis 1936 nicht verboten, Stempel zurückzustellen, und so konnten die Sammler mit gestempelten Danziger Inflationsmarken beliefert werden. Damals machte sich kaum jemand darüber Gedanken. Weil der Großteil der sich heute im Umlauf befindlichen gestempelten Danzig Marken aber zu diesem Material gehört, hat der MICHEL-Katalog dafür eine gesonderte Spalte (gestrichelter Kreis) festgelegt.
Heutzutage besitzen die Danzigprüfer derartige o. a. Bogen als Vergleichsmaterial und wissen dadurch, welche Stempel missbräuchlich verwendet wurden. Diese werden auf losen Marken und Briefstücken nicht geprüft.
Martin Jenrich

 

Arge Danzig, Rundschreiben 248, Seite 2755.


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Added: 05/09/2015
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