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Bericht über meine Jahre in Danzig 1947-1971

Edward B. Krause / Müssenredder 94 d / 2 Hamburg 65

 

(Geschrieben für die Mitglieder der Arge Danzig im März 1982)

Als ich am 14.1.1945 - noch keine 17 Jahre alt - mit dem Einberufungsbefehl in der Tasche Danzig verließ, war die Stadt noch von Kriegseinwirkungen verschont und heil gewesen.

Nach meiner Entlassung aus britischer Gefangenschaft hatte ich Unterschlupf auf einem Bauernhof in Westfalen gefunden und konnte später Briefkontakt mit meinem Vater herstellen, der im Sommer 1946 aus russischer Gefangenschaft nach Danzig, d.h. Polen, entlassen worden war und dort nach seiner Genesung wieder arbeitete. Er besorgte mir die Dokumente zur Einreise, und so traf ich im Oktober 1947 wieder in Danzig ein. Die Reise erfolgte über Berlin, von dort mit einem Sammeltransport über ein Auffanglager, zusammen mit vielen ehemaligen Wehrmachtsangehörigen. In Danzig stand der Hauptbahnhof wie ehedem, und weiter ging es mit dem dampfbetriebenen Vorortzug nach Langfuhr.

Zu Fuß wanderte ich den Kleinhammerweg entlang, dann die Magdeburger Straße (bis 1938 Ringstraße), an ausgebrannten Häuserzeilen vorbei: Es war ein Anblickden ich fast als normal empfand, zumal ich ja schon im Westen viel über die Kämpfe in Danzig gehört hatte, und zum andern während meiner kurzen Kasernierungszeit in Hamburg im Frühjahr 1945, als auch zuvor auf der Durchreise durch Berlin, Bilder kriegszerstörter Städte zur Genüge kannte.

Als ich nach überschreiten der Kreuzung Heeresanger in den Torweg der Magdeburger Straße zur Scharmerstraße einbog, und am Ende der Straße  "unser Haus", den Block John-Gibson-Straße 3-5, sah, kam mir alles ciric Miniatur vor Ich hatte die Siedlung mit ihrela Hauser viel größer in Erinnerung.

Der größte Teil der jetzt polnischen Bevölkerung Danzigs war aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten, die an Rußland gefallen waren, gekommen. Viele Leute stammten aus Wilna und Umgebung. So war auch unser Haus von drei Familien aus Wilna bezogen worden; und mein Vater hatte inzwischen ein Zimmer unserer alten Wohnung mit anteiliger Küchenbenutzung zurückbekommen. Ich wohnte vorerst im Brösenerweg bei meiner Tante, Frau Jantzen, die auch meine Mutter aus dem Bärenweg aufgenommen hatte, da deren Wohnung total ausgebrannt war. Die eigene Wohnung der Tante im ersten Stock war von Polen besetzt, und den beiden war eine winziger Mansarde verblieben. Mir wurde ein Notlager in der Küche eingerichtet. Mutter und Schwester waren im Sommer 1945 in die Ostzone gefahren. Sie leben noch heute in der DDR.

Etwa ein halbes Jahr nach meiner Rückkehr zog die im zweiten Zimmer unserer Wohnung lebende Familie aus, und wir hatten unsere alte Wohnung wieder. Im Verhältnis zur Lage in Deutschland war die Lebensmittelversorgung in Polen paradiesisch. Zwar gab es noch Lebensmittelkarten, doch etwas an Grundnahrungsmitteln war bewirtschaftet. Es gab mäßige Rationen an Fleisch, Fett und Zucker, doch daneben florierte der freie Markt mit Angebot und Nachfrage. Brot, Kuchen und Torte gab es unbegrenzig beim Bäcker, den Rest lieferte der Wochenmarkt auf dem unbebauten platz zwischen Pestalozzistraße und Kleinhammerweg. Dort wurde auch gehandelt mit Bekleidung und Hausrat sowie Zigaretten aus dem Westen. Viele der meist getragenen Kleidungsstücke stammten aus Geschenkpaketen aus England und den USA. - Daneben war Vodka im Laden stets vorhanden, der Kauf nur eine Preisfrage. Auch Wein, zwar teuer, war im Angebot. Die Bauern auf den Dörfern jedoch brannten ihren Schnaps selbst, so wie in der Kriegszeit. "Samogon" (= Selbsgebrannter) wurde das Gesöff genannt, und es schmeckte je nach Können des Braumeisters bzw. Zustand seiner Destillieranlage. Zwar war die Schwarzbrennerei verboten, doch war sie so verbreitet, daß man ihrer nicht Herr werden konnte.

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Rundschreiben 114, Bericht über meine Jahre in Danzig 1947-1971, Edward B. Krause, Seite 1.


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Added: 08/12/2015
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