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>> Feldpostbrief aus Danzig vom Ende Januar 1945

Danzig im Januar 1945: die Rote Armee rückt nach Ostpreußen vor, wodurch immer mehr Flüchtlinge nach Danzig strömen. Doch erst Ende Januar 1945 dürfen auch die Danziger selbst offiziell fliehen. Entsprechend ist der Andrang auf die Eisenbahnzüge, die überfüllt "gen Westen" rollen. Die ersten großen Flüchtlingsschiffe stechen von Danzig und Gotenhafen (Gdingen) aus in See. Der Beschuss und die Versenkung der "Wilhelm Gustloff" mit ca. 10.000 Passagieren am 30. Januar 1945 - darunter viele Danziger - zählt zu den tragischsten Flüchtlingskatastrophen zum Ende des II. Weltkriegs.
Am 23. Januar 1945 schreibt Eva Peters aus dem Ludolf-König-Weg 32 einen sehr emotionalen Brief, der auch die Lage in Danzig gut beschreibt, an Oberfeldwebel Heinz Beh (Feldpost-Nr. 64293), der wohl ihr Verlobter ist.

Danzig, 23.I. 1945
Mein guter, braver, lieber Heinz,

gestern erhielt ich Deinen Brief Nr. 20. Ich habe mich so sehr gefreut, vielen lieben Dank. Entschuldige bitte vielmals, daß ich mit Bleistift schreibe, aber die Tinte ist aus, und in der Stadt gabs keine. - Ich bin nun so sehr in Sorge! Die Lage hier ist so kritisch. Jeden Tag verlassen nun die Leute, vor allem Familien mit Kindern, die Stadt. Ein furchtbar trauriges Bild ist das. Stundenlang stehen die Leute an der Bahn und warten auf Züge, die sie von hier ins Altreich bringen sollen. Ich habe mir nun ganz fest vorgenommen, zu Deiner Mutter zu fahren. Morgen gehe ich auf die Polizei, um die Genehmigung mit einem Brief, den mir einmal Deine Mutter schrieb und mich nach Prag bat, zu bekommen. Ich darf jetzt noch nicht fort, weil unser Betrieb noch arbeitet, aber sobald Danzig geräumt wird, fahre ich fort, wenn ich auch 2 Wochen auf der Bahn bleibe, weil ja kein D.-Zug fährt. Hoffentlich, hoffentlich mein lieber, guter Heinz, komme ich gesund dort an. Ich kann Deiner Mutter sicher keine Nachricht mehr vorher geben, aber das macht nichts! Denke an mich, Heinz. Du machst Dir bestimmt große Sorgen meinetwegen, das weiß ich. - Ach, wärest Du nur hier. Hättest Du doch Deinen Urlaub von 10 Tagen noch genommen, dann wärest Du gerade noch zur Zeit gekommen, und du hättest mich nach Prag gebracht. Schade, Heinz, es ist aber nichts zu machen. Mein Koffer ist fertig gepackt. Man kann ja nur das Nötigste mitnehmen, denn es ist erstens viel zu schwer, große Sachen zu tragen. Hoffentlich geht alles gut!
Meine Mutter ist garnicht transportfähig. Was aus ihr wird - aber meine Schwester Herta bleibt mit ihr so lange wie möglich hier, sie muß dann mit einem Sammeltransport mit. Heulen könnte ich, alles muß man hier stehen lassen, alles, was sich meine Eltern im Leben erarbeitet haben, geht vielleicht dahin. Ich bin so furchtbar unruhig und aufgeregt, daher entschuldige auch bitte meine Schrift. - Sei immer in Gedanken bei mir, dann wird schon alles gut gehen. Die Fahrt fürchte ich ja ganz ganz doll. Trägst Du auch meinen - Deinen Ring? Ich tue es auch. Wir müssen uns bald bald wiedersehen. Ach, bitte komm!!!!! Wenn Du hier wärest, so wäre alles anders. -
Also, mein lieber guter Heinz, ich will für heute schließen, denn ich will Deiner Mutter noch eine Karte schreiben, da Briefe nicht befördert werden. Ich sehne mich soooooooooo sehr nach Dir. Vergiss mich nie! Ich habe Dich unendlich lieb - Deine Evifrau !
P.S. Wenn es losgeht, so schreibe ich Dir wenigstens eine Zeile vorher, ja? -
Viele Grüsse auch von allen zu Hause. Meine Schwester fährt morgen mit der Kl. nach Heidelberg.

Nach dem Lesen des Briefes fragt man sich natürlich, ob Eva Peters wohl noch recht-zeitig Danzig verlassen konnte und gut in Prag (oder im Westen) angekommen ist. Und gab es ein glückliches Wiedersehen mit ihrem Heinz?

Nur eines von Millionen Schicksalen, ausgelöst durch den schrecklichsten Krieg und der größten Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert in Europa - bis heute.

Das Spätdatum des Stempels galt bisher nur bis zum 09.10.1944. Liegen von diesem Stempel weitere Daten aus 1945 vor? Beim obigen Stempel fehlt auch der Verbindungsstrich zwischen Jahr und Uhrzeit.


Arge Danzig, Rundschreiben 260, 3. Quartal 2018, Seite 3224.


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Added: 15/07/2018
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