Rundschreiben Nr. 227, 2. Quartal 2010.
>> Der interessante Beleg;
>> Das Interessante an diesem Beleg sind zwei Dinge: Die handschriftlich mit Blaustift rechts oben vermerkten „20 Pf.“ als die bezahlte Gebühr und der Absender.
Lt. „Postgebühren der Freien Stadt Danzig“ von Theo Henn wurden ab 1.9.1923 die Gebühren nach Polen wie die nach Deutschland berechnet. Für diesen Brief vom 27.10.23 betrugen sie demnach in der 1. Gewichtsstufe 1 Milliarde Mark.
Wieso hat aber der den Brief annehmende Postbeamte die Gebühr mit 20 Pf. festgelegt? Um das zu begreifen, ist es notwendig, das Buch "Die Freie Stadt Danzig 1919-1939" von Dr. Rüdiger Ruhnau heranzuziehen. Dort heißt es unter „Einführung der Guldenwährung“ ab S. 47: „… Wenigstens einen großen Vorteil besaßen die Danziger gegenüber den Reichsdeutschen, sie konnten ihre wertlosen Papiermillionen in US-Dollars oder andere ausländische Währungen umtauschen… Die Geldentwertung nahm schließlich groteske Formen an, 1 Billion Reichsmark hatte nur noch den Wert von einem Dollar … Am 21. September 1923 vereinbarte (Heinrich) Sahm (= Danziger Senatspräsident) in Genf mit dem Diplomatischen Vertreter Polens in Danzig … das Danzig-polnische Währungsabkommen, welches am 11.12.1923 in Kraft trat. Kern des „Genfer Übereinkommens“ war die Einführung einer eigenen Danziger Währung …Die Währungseinheit war der Gulden, der auf 1/25 des englischen Pfundes festgesetzt wurde … Die Bank von England garantierte die Sicherheit des Danziger Guldens. Bereits am 26. Oktober 1923 erhielten die Danziger zum ersten Mal ihren Lohn oder Gehalt in Gulden ausbezahlt … Allerdings war das neue Geld noch gar nicht vorrätig, man behalf sich für kurze Zeit mit den „Zwischengulden“, das waren auf Gulden lautende Kassenscheine, aus einfachem weißem Papier hergestellt. Die deutsche Währung wurde mit Wirkung vom 18.12.1923 abgeschafft, der Gulden war jetzt alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel im Freistaat.“
Da der obige Brief am 27. Oktober 1923 aufgegeben wurde, der „Zwischengulden“ aber schon ab dem Vortag galt, wurde bei der Barfreimachung offensichtlich schon der eigentlich erst ab 1. November 1923 geltende Tarif für einen Brief der ersten Gewichtsstufe – nämlich 20 Pfennig – berechnet. Dabei ging man anscheinend davon aus, dass das Porto nach Polen nach wie vor dem Porto nach Deutschland gleichgesetzt sein wird.
*- Und nun zum Absender:
Oberrequisiteur und Dramaturg,
Hermann Merz, Zoppot, Wäldchenstr. 19 II.
Es handelt sich um den Oberrequisiteur und Dramaturg Hermann Merz, der in Zoppot, Wäldchenstr. 19, wohnte und ab 1922 General-intendant der Zoppoter Waldoper war (Diese feierte 2009 ihr 100 jähriges Bestehen). Unter seiner Regie wurden auf dieser einmaligen Naturbühne in den Sommermonaten vornehmlich Wagner-Opern aufgeführt, so dass man vom „Bayreuth des Nordens“ sprach. Hier war es möglich, das Mysterium des Waldes in den Werken Wagners in einer Weise lebendig werden zu lassen, wie es kein geschlossenes Theater vermag.
1936 übernahm H. Merz auch die Regie des Theaters in Danzig, das sich mal Danziger Stadttheater, mal Theater am Kohlenmarkt und kurz vor seiner Zerstörung 1945 Danziger Staatstheater nannte. Es bot bis zu 1600 Zuschauern Platz. Wegen seines Aussehens – auf dem Quaderbau befand sich eine flache Kuppel - nannte es der Volksmund „Kaffeemühle“. Hermann Merz starb am 6.12.1944.
Martin Jenrich nebst Mitarbeit durch Dieter Bronisch.
Arge Danzig, Rundschreiben 228, 2010, Seite 2056.
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Added: 01/07/2010
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