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Solche unbesonnenen und strafbaren Handlungen, wie sie die Beschädigungen der polnischen Briefkästen
darstellen, erschweren nur die Lage der Freien Stadt Danzig und schädigen ihre Interessen. Die
Polizeibehörden haben von dem Senat strenge Weisung erhalten, pflichtgemäß gegen jede Ausschreitung
vorzugehen und den Täter den Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln.
Wer Danzig wahrhaft liebt, bewahrt die Ruhe!
Danzig, den 8. Januar 1925.
Der Senat.
Dr. Sahm, Präsident des Senats Dr. Schwartz, Senator
Gleichwohl sah sich Senatspräsident Sahm in eine prekäre Lage gedrängt. Zwar hatte Polen eindeutig
Danziger Hoheitsrechte verletzt, und die allgemeine Stimmung ging dahin, die Briefkästen mit Gewalt von
der Schutzpolizei abnehmen zu lassen. Doch was wäre die Folge gewesen? Möglicherweise hätte die
polnische Regierung unter militärischem Schutz die Widerherstellung des alten Zustandes erzwungen.
Danzig hätten schwerste Verwicklungen gedroht. Es war eben der Schwächere, und in der Politik zählt in
erster Linie Macht. Ohne Macht kein Recht! Das hatte Deutschland 1923 bei der Besetzung des
Ruhrgebiets durch die Franzosen erfahren müssen. Senatspräsident Sahm war genug Diplomat, um das zu
erkennen. Er lenkte ein. Er war sogar bereit, sich für die „Beleidigung der polnischen Hoheitszeichen“ zu
entschuldigen.
Der Hohe Kommissar Mac Donnell stellte sich auf die Seite Danzigs. Er schlug dem polnischen Vertreter
vor, die Briefkästen entfernen zu lassen, was dieser strikt ablehnte. Hierauf ließ Mac Donnell der
polnischen Regierung mitteilen, er werde den Danziger Senat ermächtigen, die Kästen abzunehmen. In
Warschau herrschte darob große Empörung. Der stellvertretende polnische Ministerpräsident Thugutt
sprach vom „Größenwahn einer Stadt“; polnische Presseorgane schrieben offen von einer militärischen
Besetzung. In einem Aufruf hieß es: „Aufständische und Soldaten! Ihr zählt in Pommerellen 150 000
Mann. Wenn nur jeder Dritte von Euch geht, so könnten wir Danzig dasselbe tun, was die Litauer mit dem
Memelland getan haben. Denn solange in Danzig ein Senat von Hakatisten* regiert, werden wir keine Ruhe
und Zutritt zum Meer haben. Eure Pflicht ist es, Soldaten, auch dieses kleine Stückchen polnischen Landes,
welches ungeduldig darauf harrt, zu erobern. Rafft euch empor zu dieser Tat!“
Es kam jetzt darauf an, wer die Weltpresse am besten für seinen Standpunkt gewinnen konnte. Hier war
Danzig völlig im Nachteil. Der polnischen Regierung standen für ihre Propaganda im Ausland
unbeschränkt Geldmittel zur Verfügung. Sie konnte durch ihre Auslandsvertretungen auf die Presseorgane
und damit auf die öffentliche Meinung gezielt einwirken.
Auf einen Antrag Danzigs stellte der Völkerbundsrat am 2. Februar 1925 erstaunlich rasch fest: Der
polnische Postdienst im Gebiet der Innenstadt ist unrechtmäßig. Aber Polen legte Revision ein. Darauf traf
der Völkerbundsrat am 13. März 1925 in Genf keine Entscheidung, sondern forderte ein Gutachten des
Ständigen Internationalen Gerichtshofs in Den Haag an.
Dessen Entscheidung vom 11. Mai 1925 war für Danzig eine große Enttäuschung. Es hieß darin:
„Innerhalb des Hafens von Danzig ist der polnische Postdienst berechtigt, Briefkästen anzubringen und
Postsachen außerhalb seines Grundstückes auf dem Heveliusplatz einzusammeln und auszugeben und nicht
auf eine Tätigkeit beschränkt, die in vollem Umfang innerhalb des Grundstück ausgeführt werden kann. Die
Benutzung des besagten Dienstes ist dem Publikum zugänglich und nicht auf die polnischen Behörden und
Dienststellen beschränkt.“
Der Völkerbund nahm das Gutachten an. Damit hatte Danzig die Auseinandersetzung verloren. Lediglich
als Rückzugsgeplänkel konnte man die Tatsache werten, daß ein Sachverständigenausschuß gebildet
werden sollte, der Vorschläge auszuarbeiten hatte, wie weit die Abgrenzung „Hafen von Danzig“ gelten
sollte. Nach Ablauf von 9 Monaten entschied der Ausschuß dahin, daß fast ganz Danzig zum Hafen gehöre
und folglich die umstrittenen Briefkästen – da zur polnischen Hafenpost gehörig – hängen bleiben dürften.
Alle Einsprüche des Senats waren vergebens; die Briefkästen blieben bis 1939. Da man sie nur an
Häusern befestigt hatte, die polnisches Eigentum waren, verschwand aber ein Teil von selbst, wenn die
Häuser in Danziger Besitz übergingen.
* Hakatisten = Ostmarkenverein („Verein zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken“, ab 1904
\"Deutscher Ostmarkenverein\", auch \"Hakatistenverein\", 1894 – 1934)
Der Name ist die polnische Lautmalerei HaKaTa, die sich auf die Anfangsbuchstaben der Namen der
Gründer Hansemann, Kennemann und Tiedemann bezieht und wurde nur von den Gegnern des Vereins
benutzt. (M. J.)

Rundschreiben 280, Seite 4021


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Added: 19/05/2024
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