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Gallery » Arge Danzig Rundschreiben Nr. 263 » RS 263: Was war ein Landjahr?

Was war ein Landjahr?
Martin Jenrich, Tel. 030-9914166, martin.jenrich@web.de

Das Landjahr wurde 1934 zunächst auf Probe - ab 1935 per Gesetz dann dauerhaft - als achtbis neunmonatiger, in der Regel von April bis Dezember dauernder Lageraufenthalt in ländlicher Umgebung eingerichtet. Jungen und Mädchen waren streng getrennt. Die Veran-twortung hatte das Reichserziehungsministerium (REM) inne.
Zielgruppe waren jene 14- bis 15jährigen Volksschulabsolventen aus Großstädten, die nach Ende ihrer Schulzeit zunächst ohne Lehrstelle waren. Die Teilnehmer wurden durch Komm-issionen ausgewählt, wobei den Eltern keinerlei Mitspracherecht zugestanden wurde, da das Landjahr als eine Art 9. Schuljahr und so als Teil der Schulpflicht definiert worden war. Untergebracht wurden die Jugendlichen in leer stehenden Gebäuden, etwa ehemaligen Gutshäusern, Schlössern, Fabriken, Klöstern, Pfarr- und Wirtshäusern, die zu diesem Zweck vom Staat angemietet und zu Lagern umgerüstet worden waren.
Für das Landjahr kamen ausdrücklich „nur in körperlicher und geistiger Beziehung erbbio-logisch gesunde und charakterlich wertvolle Kinder deutscher Nationalität und arischer Abstammung“ in Frage. Die Zahl der jährlichen Landjahrabsolventen betrug in der Erpro-bungsphase 1934 rund 21.000, stieg dann bis 1937 auf 32.000 und fiel während des Krieges kontinuierlich bis auf etwa 16.000 im Jahr 1944. Insgesamt haben von 1934 bis 1945 rund 350.000 Jugendliche das Landjahr durchlaufen.
Mit dessen Einführung verbanden sich unterschiedliche Absichten: Neben der Funktion als Maßnahme gegen Jugendarbeitslosigkeit sollte die schulentlassene Jugend vor den ange-blichen Gefährdungen der Großstädte geschützt, nach Möglichkeit sogar von der Stadt aufs Land verpflanzt und ihr eine Berufsperspektive in der Landwirtschaft eröffnet werden. Hierbei galt bald der „deutsche Osten\" als bevorzugtes Einsatz- und künftiges Siedlungs-gebiet. Deshalb entstanden hier auch die meisten derartigen Lager. Selbstver-ständlich diente das Landjahr nicht zuletzt auch der nationalsozialistischen „Formationserziehung".
Der Lageraufenthalt bestand in halb-, während der Erntezeit auch ganztägigen unbezahlten Arbeitseinsätzen sowie der NS-typischen Lagererzie-hung mit Diensten, Appellen, Ordnungsübungen, Sport, Geländespielen, Fahrten, nationalpolitischer Schulung und musischer Erziehung. Letztere beinhaltete vornehmlich die Vermittlung des nazistisch geprägten „Liedgutes\". Zentrales Ziel des Landjahres war es, die Jugendlichen im Sinne des Nationalsozialismus zu ideologisieren und zu erziehen. Gleichzeitig sollte perspektivisch eine Hinwendung zu den ländlichen Gebieten bewirkt werden.
Da das Landjahr unter staatlicher Aufsicht stand, sind mit ihm zum Teil bis heute positive Einstellungen und Erinnerungen verknüpft. Kaum eine andere Einrichtung der NS-Zeit wurde im Nachhinein mit einer fast mythischen Verklärung versehen, wobei deren eigentliche ideologische Funktionen, nämlich eine unter Lagerbedingungen gut durchführbare Ideologisierung und Formierung der Jugendlichen gerne verharmlost und fehlinterpretiert wurden und noch werden.
Quelle: Internet


 



Arge Danzig, Rundschreiben 263, 2. Quartal 2019, Seite 3329.


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Added: 02/04/2019
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